Hartwig Riedl
mein musikalischer Lebensabriss
In Hamburg 1940 geboren bekam ich mit ca. 7 Jahren Klavierunterricht, der stark an Johann Sebastian Bach ausgerichtet war, mit 13 Jahren kam die Geige hinzu. Das Üben war weniger meine Sache als auf der faszinierenden Tastenlandschaft Klänge auszuprobieren und Kinderlieder in verschiedenen Tonarten zu spielen.
Früh versuchte ich, kleine Stücke zu komponieren: unbeholfen, da ohne Verständnis für harmonische Zusammenhänge. Die erwarb ich durch den Schulunterricht (Quintenzirkel, Sonatenform), vor allem aber durch tastendes Nachspielen von Schlagern. Sporadische Unterweisung im vierstimmigen Satz im Klavierunterricht half, meine weiteren Kompositionsversuche zu verbessern.
Anregungen hier und da setzten sich, ich hatte mir Kenntnisse auf Gitarre, Querflöte und Klarinette angeeignet, so dass mir zur eigenen Überraschung zum Abitur 1958 eine Bratschen-Sonate und ein lateinisches Musical für unsere 16-köpfige Jungenklasse gelangen. Für Letzteres standen immerhin zur Verfügung: Geige, Kontrabass, Gitarre, Akkordeon, Klarinette, Flöte, Klavier und Bongos.
Im Jahr 1962 komponierte ich die Suite „Eine Frankreichreise“ für die Familienbesetzung meiner zukünftigen Frau: Violine, Querflöte, Oboe und Klavier. Doch dann – entmutigt durch die Dominanz zeitgenössischer harmoniefeindlicher E-Musik – komponierte ich nicht weiter.
Mit dem Notenschreiben beschäftigte ich mich dennoch weiterhin durch ausgiebiges Transskribieren von Johann Sebastian Bachs Klavierwerken für Streicher, bis ich 1984 auf Erich Kästners Gedichtzyklus „Die 13 Monate“ stieß, der mir als lang gesuchter Text für einen Liederzyklus entgegen sprang. Ich suchte zwei Jahre nach einem mir gemäßen Kompositionsstil. Erst als ich alle Skrupel wegen meiner unzeitgemäßen Harmonieliebe beiseite geschoben hatte, fand ich ihn „tastend“ in den ersten zwei Takten des „Januar“. Von da an war ich sicher: Es wird gehen! Meinen gänzlich unzeitgemäßen Ansatz, anachronistisch-tonal zu komponieren sah ich jedoch gerechtfertigt durch Kästners von der zeitgenössischen Literaturkritik als „Gebrauchslyrik“ geschmähten Stil. Kästner konterte diese „Schmäh“ mit der entlarvenden Frage, was das denn für eine Lyrik sei, die man nicht gebrauchen könne. Das bestärkte mich in meinen folgenden, weiterhin harmoniebasierten Kompositionen.
Der Erfolg der „13 Monate“ ermutigte mich, im Selbststudium meine Fähigkeiten im Instrumentieren auszubauen und für die beiden Orchester in denen ich Bratsche spielte – Streichorchester und großes klassisches Orchester – Stücke zu schreiben, die erfolgreich aufgeführt wurden.
Wichtig waren und sind mir folgende Prinzipien: sofortige Zugänglichkeit der Musik, Abwechslungsreichtum, „Herz“ und „Witz“ und folgerichtige sowie genügende Spielsubstanz für jede Stimme, dazu wirkungsvolle Schlüsse.
Weitere Kompositionen waren eine Ausarbeitung meiner Abitursonate als Konzert für Klarinette und Streicher, ein kleiner Kästner-Zyklus zu 6 Gedichten aus „Lärm im Spiegel“ und zwei Sonaten für Blockflöte.
Mit Herrn Thomas Schäfer fand ich zuletzt glücklicherweise einen kompetenten Herausgeber meiner Werke und sehr guten Freund.
Hartwig Riedl